Ortwin Dördelmann: Der Rettungsdienst braucht die Hilfe von Notfallzeugen
Welt-Erste-Hilfe-Tag am 14. September: „Erste Hilfe ist nicht schwer“
Kreis Borken. Interview mit Ortwin Dördelmann (45), Praxisanleiter im Rettungsdienst des Roten Kreuzes im Kreis Borken und ausgewiesener Fachmann in Sachen Erster Hilfe, zum Welt-Erste-Hilfe-Tag am Samstag, 14. September.
Frage: Am 14. September ist wieder internationaler Erste-Hilfe-Tag. Das Rote Kreuz im Kreis Borken macht mit zahlreichen Aktionen in Kommunen des Kreises darauf aufmerksam, unter anderem in Ahaus und Borken. Wie ist die Situation, wenn es um schnelle Hilfe geht?
Dördelmann: Die Erste Hilfe ist und bleibt ein großes Thema. Die Bereitschaft zur schnellen Hilfeleistung hat sich zum Positiven gewendet. Dennoch müssen wir weiter aufklären.
Frage: Was ist besser geworden?
Dördelmann: Nach Informationen der Deutschen Gesellschaft für Wiederbelebung ist im Jahr 2015 bei Notfällen vor Eintreffen des Rettungsdienstes lediglich in 15 Prozent der Fälle eine Herz-Lungen-Wiederbelebung durch Ersthelfer erfolgt; im Jahr 2018 stieg die Zahl jedoch schon auf erfreuliche 68 Prozent.
Frage: Gleichwohl muss nach wie vor eine Menge Aufklärungsarbeit betrieben werden?
Dördelmann: Auf jeden Fall.
Frage: Warum ist das so wichtig?
Dördelmann: Der Rettungsdienst braucht die Hilfe von Notfallzeugen, auf schnelle Hilfe vor Ort. Wer mit der Reanimation eines Verletzten beginnt, legt den Grundstein für eine erfolgreiche Wiederbelegung. Ob zu Hause, in Nachbars Garten oder im Verein: Notfälle geschehen dort, wo wir mit den Menschen zusammen sind, die uns besonders nahe und wertvoll sind. Gut 62 Prozent aller Wiederbelebungsversuche ereigneten sich 2018 in Wohnungen, ein Fünftel in der Öffentlichkeit und 17 an diversen Orten. Diese Zahlen unterstreichen ganz klar: Erste Hilfe ist Nachbarschaftshilfe.
Frage: Viele Menschen haben offenbar schlichtweg Angst einzugreifen, Hand anzulegen und zu helfen – obwohl sie dazu gesetzlich verpflichtet sind. Wie kann dieses Szenario verhindert werden?
Dördelmann: Erste Hilfe ist nicht schwer. Nur wer nichts tut, macht einen Fehler. Wichtig ist, im Kopf eine gewisse Barriere zu durchbrechen.
Frage: Wie können sich Laienhelfer auf einen Defibrillator verlassen, der auch an vielen öffentlichen Stellen im Kreis Borken erreichbar ist?
Dördelmann: Der Automatische Extrene Defibrillator (AED) ist fester Bestandteil der Erste-Hilfe-Ausbildung. Einfach anschalten und den Anweisungen folgen – das ist echt kinderleicht.
Frage: Wie bewerten Sie die Situation im Kreis Borken in Sachen Erster Hilfe?
Dördelmann: Wir sind hier gut aufgestellt. Dennoch ist der Kreis Borken ein Flächenkreis. Anders als in Städten kann der Rettungsdienst nicht überall blitzschnell vor Ort sein. Ersthelfer sind da umso wichtiger. Die Eintreffzeit kann zwischen acht und zwölf Minuten liegen; im bundesdeutschen Mittel betrug sie im Vorjahr 6:54 Minuten. Doch schon nach fünf Minuten kann das Gehirn irreparabel geschädigt sein.
Frage: Im Kreis Borken soll gegen Ende des Jahres eine Ersthelfer-App eingeführt werden – eine gute Maßnahme?
Dördelmann: Ohne Zweifel! Dabei geht es ja darum, dass qualifizierte Helfer eingreifen – vor allem bevor der Rettungsdienst vor Ort ist. In einigen anderen Kreisen wie Kleve und Gütersloh sind damit schon sehr gute Erfahrungen gemacht worden.
Frage: Welche Aktionen plant das Rote Kreuz im Kreis Borken zum Welt-Erste-Hilfe-Tag am Samstag, 14. September?
Dördelmann: Eine Menge, weil Erste Hilfe bei uns immer obenan steht. Wir bereiten eine Erste-Hilfe-Woche vor mit Workshops in Einkaufsstraßen und -zentrum sowie auf Wochenmärkten, Aktionen in Schulen, besonderen Angeboten wie „Fit in Erster Hilfe“, Schulungen im Umgang mit dem Defibrillator und einem Tag der offenen Tür mit weiteren Maßnahmen im Rotkreuz-Zentrum in Borken, eingebunden in einen Tag der offenen Tür anlässlich zehn Jahren Café Henry und KARO Borken.